Die Neuen Auftraggeber von Eisenhüttenstadt
Auftraggeber*innen: Heike Gunkel, Pedro Gunkel, Anne Krapp, Sven Quenzel, Al Titzki, Andrea Titzki, Thomas Zimmermann
Auftrag: Wir wünschen uns ein verbindendes Element für Geschichte und Zukunft unserer Stadt. Das kann ein neuer Ort, ein Anlass für Versammlungen, gemeinsam verbrachte Zeit oder gemeinsame Handlungen sein.
Mediatorin: Lea Schleiffenbaum
Zeitraum: 2024 fortlaufend
Partner: Kulturstiftung des Bundes
Eisenhüttenstadt ist faszinierend – und viele Menschen kommen für einen Tagesausflug durch die beeindruckende Architektur der sozialistischen Musterstadt und um in vergangene DDR-Geschichte und -Ästhetik einzutauchen. Nostalgie funktioniert hier gut. Doch Eisenhüttenstadt ist mehr als ein Flächendenkmal. Die Neuen Auftraggeber von Eisenhüttenstadt finden: Für die hier lebenden Menschen und ihren Alltag braucht es nicht nur den Blick in die Vergangenheit, sondern vor allem eine Brücke in die Zukunft, damit es sich lohnt, zu bleiben.
„Wozu helfen uns all die Symposien mit Menschen von außerhalb, die dann wieder weg sind?“
Eisenhüttenstadt wurde Anfang der 1950er Jahre um das frisch errichtete Stahlwerk Eisenhüttenkombinat Ost erbaut. Die Stadt sollte allen Ansprüchen des täglichen Arbeiterlebens entsprechen und war ein städtebauliches Vorzeigeprojekt der DDR. Die Wohnkomplexe boten Kaufhalle, Kinderkrippe, Kindergarten, Schule, Konsum, Zeitungskiosk, Kulturhaus oder Jugendclub und Sport- und Freizeitangebote. Die Aufteilung und Struktur förderten das Miteinander und die leichte Erreichbarkeit.
„Ich möchte wieder spontan abends weggehen und da dann auch Menschen treffen.“
Heute leben weniger als 25.000 Menschen in der Stadt, die einmal für 100.000 Einwohner*innen geplant wurde. Viele von ihnen haben die großen Veränderungen der Wende getragen und sind auch heute wieder mit den aktuellen Krisen und Herausforderungen konfrontiert. Die einen sind müde, immer weiterem Wandel zu begegnen und ziehen sich ins Private zurück. Andere – Menschen mit Ideen und Visionen für die Stadt – sehen sich heute oft mit Unverständnis, Desinteresse oder bürokratischen Hürden konfrontiert. Das Vertrauen und die Freude an Möglichkeiten der Mitgestaltung schwindet in einer Stadt, die einst mit und von den Händen der Bevölkerung gebaut wurde. Ein Gefühl der Entwertung und Musealisierung vergangener Errungenschaften teilen viele Anwohner*innen mit anderen Menschen in Ostdeutschland.
Die Neuen Auftraggeber von Eisenhüttenstadt wollen mit einer Künstlerin oder einem Künstler Impulse setzen, die ein positives Bewusstsein für die städtebaulichen Errungenschaften wecken, ihre Daseinsberechtigung bezeugen und sie zukunftsfähig machen. Sie wollen für das, was mal gut gedacht und genutzt war, generationsübergreifende Visionen für die Zukunft finden – damit ihre Stadt funktionieren und wachsen kann.
„Was wir hier brauchen, ist ein komplett neues Mindset.“
Dabei geht es den Auftraggeber*innen weniger um eine dauerhafte Veränderung im Außen der Stadt – vor allem im Inneren der Menschen vor Ort, in ihrer Wahrnehmung wollen sie etwas bewegen. Mit einer künstlerischen Arbeit – zum Beispiel einem neuen Ort, einem Anlass für Versammlungen, gemeinsam verbrachter Zeit oder einer gemeinsamen Handlung – möchten sie neue Ideen und Energien zur Mitgestaltung initiieren. Der frühere Anspruch einer „Idealstadt“ hat viele falsche Erwartungen geweckt. Was sie wollen, ist eine lebendige Realstadt. Ohne nostalgische Grundstimmung, aber mit Respekt für das, was diese Stadt ausmacht.